Page 8 - gefaehrliche_gezeiten
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Zufrieden geht Fabian für einen Moment nach unten.
           Drei Stufen, rückwärts, Teakholz unter seinen bloßen Füßen,
           angenehm warm und glatt. Vor dem Kocher stehend, fin-
           det er seine Balance im Takt des sich wiegenden Schiffes. In
           seiner italienischen Aluminiumkanne brüht er sich schwar-
           zen, starken Kaffee auf dem mit den Schiffsbewegungen hin-
           und her schwingenden Kocher. Genießt den ersten, heißen
           Schluck und klettert mit dem Kaffee wieder hinaus.
             Er wird später noch einmal schlafen. Erst macht er seine
           übliche Runde, wie jeden Morgen. Penibel, wie es an Land
           so überhaupt nicht seine Art ist, kontrolliert er Rigg, Segel,
           Schoten. Arbeitet alles einwandfrei? Scheuert es irgendwo,
           sodass ein Segel oder eine Schot beschädigt werden könn-
           ten? Ist im Rigg alles straff gespannt und in Ordnung? Laufen
           die Leinen der Windsteueranlage glatt und ohne Reibungs-
           verlust? Fabian ist an Land eher lässig, nachlässig in vielen
           Dingen des Alltags, die anderen Menschen so viel bedeuten.
           Doch er weiß sehr genau, dass Nachlässigkeit auf See keine
           gute Überlebensstrategie ist. Ganz besonders dann nicht,
           wenn man, wie er in diesem Moment, allein unterwegs ist.
             Wie unendlich viel komplizierter ist da doch das Über-
           leben an Land …
             Die Sonne steht nun schon über dem Horizont, der als
           klare, wenn auch durch den Seegang bewegte Linie Himmel
           und Meer voneinander trennt. Der Zauber des täglichen
           Neubeginns ist verflogen, der erwachte Tag zeigt sich wie
           erwartet freundlich. Der Wind ist in unverminderter Stärke


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